Zizek warnt: Warum die Rechte die Arbeiterklasse erobert – und was die Linke falsch macht

2025-08-05
Zizek warnt: Warum die Rechte die Arbeiterklasse erobert – und was die Linke falsch macht
Berliner Zeitung

Der renommierte Philosoph Slavoj Žižek liefert eine scharfe Analyse des politischen Wandels in Europa und den USA. In einem aktuellen Interview stellt er die Frage, warum die Rechte zunehmend die Arbeiterklasse gewinnt – und wo die Linke versagt. Žižek bezieht sich dabei auf die berühmte Aussage Walter Benjamins: „Hinter jedem Faschismus steht eine gescheiterte Revolution.“

Die Benjaminsche These und ihre Aktualität

Benjamin argumentierte, dass der Aufstieg des Faschismus oft eine Folge des Scheiterns revolutionärer Bewegungen ist. Die Unzufriedenheit und die verpassten Hoffnungen der Bevölkerung werden dann von rechtspopulistischen Kräften ausgenutzt, die einfache Lösungen und Sündenböcke anbieten. Žižek sieht in dieser These eine erschreckende Aktualität. Er betont, dass die traditionellen linken Ideologien und Strategien nicht mehr in der Lage sind, die drängenden Probleme der Arbeiterklasse zu adressieren.

Die Fehler der Linken: Ideologie und Realitätsverlust

Žižek kritisiert die Linke dafür, in ideologischen Dogmen und einer abgehobenen Perspektive gefangen zu sein. Viele linke Politiker und Intellektuelle würden sich in akademischen Debatten verlieren und den Kontakt zur Lebensrealität der Menschen verlieren. Stattdessen müssten sie sich den konkreten Nöten und Ängsten der Arbeiterklasse zuwenden und glaubwürdige Antworten auf ihre Fragen liefern.

Ein weiterer Fehler sei die Tendenz, die Arbeiterklasse als eine homogene Gruppe zu betrachten. Žižek argumentiert, dass die Arbeiterklasse vielfältig ist und unterschiedliche Interessen und Perspektiven hat. Es sei wichtig, diese Vielfalt anzuerkennen und gezielte Strategien zu entwickeln, um die verschiedenen Gruppen zu erreichen.

Die Strategie der Rechten: Populismus und Identitätspolitik

Die Rechte hingegen habe es geschafft, die Arbeiterklasse zu mobilisieren, indem sie populistische Botschaften verbreitet und auf Ängste vor Migration, Globalisierung und kultureller Veränderung angesetzt hat. Die Betonung von nationaler Identität und traditionellen Werten habe bei vielen Menschen Anklang gefunden, die sich von der modernen Gesellschaft entfremdet fühlen.

Žižek warnt davor, die Ursachen des Aufstiegs der Rechten zu unterschätzen. Es sei nicht ausreichend, die Anhänger der Rechten als „dumme“ oder „ungebildete“ Menschen abzutun. Stattdessen müsse man verstehen, warum sie sich von den rechtspopulistischen Botschaften angezogen fühlen und welche Bedürfnisse diese Botschaften befriedigen.

Ein Ausweg? Die Notwendigkeit einer neuen Linken

Žižek plädiert für eine radikale Erneuerung der Linken. Er fordert eine Rückbesinnung auf die Grundlagen des Marxismus, aber auch eine Offenheit für neue Ideen und Perspektiven. Die Linke müsse sich von ihren ideologischen Dogmen befreien und eine glaubwürdige Vision für eine gerechtere und solidarischere Gesellschaft entwickeln.

Dabei müsse die Linke auch bereit sein, unbequeme Fragen zu stellen und auch die eigenen Fehler einzugestehen. Nur so könne sie das Vertrauen der Arbeiterklasse zurückgewinnen und eine wirksame Gegenmacht zur Rechten bilden.

Die Analyse Žižeks ist ein Weckruf für die Linke. Es ist höchste Zeit, die eigenen Strategien zu überdenken und neue Wege zu finden, um die Arbeiterklasse zu erreichen und die Herausforderungen der Gegenwart zu bewältigen.

Empfehlungen
Empfehlungen